Österreich’s agrarpolitische Perspektiven nach 2013 im Hinblick auf die Gemeinsame Agrarpolitik der EU

Österreich’s agrarpolitische Perspektiven nach 2013 im Hinblick auf die Gemeinsame Agrarpolitik der EU
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Der „Fahrplan“ der EU-Agrarpolitik sieht vor, daß im Laufe des Jahres 2010 sowohl eine Finanzvorschau als auch Kommissionsvorschläge präsentiert werden, bis Mitte 2011 Legislativvorschläge folgen und bis Ende 2012 Beschlüsse zur Agrarpolitik in der nächsten Programmplanungsperiode gefaßt werden. Diese Thematik, wie auch die Agrarpolitik in Österreich und Europa generell, bildet – in enger Verbindung zur Umwelt- und Regionalpolitik – laufend Anlaß für sachpolitische Diskussionen1, insbesondere auch über die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, die von der Öffentlichkeit hierzulande mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt werden.

Generelle Ziele für die Agrarpolitik nach 2013 aus Sicht Österreichs

  • Erhalt einer leistungsfähigen, bäuerlichen und multifunktionalen Landwirtschaft
  • Flächendeckende Bewirtschaftung und Sicherung der Besiedelung in peripheren Regionen
  • Sicherung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit in den Betrieben
  • Wahrung eines nationalen Spielraums für die Ausgestaltung von agrarpolitischen Programmen und Maßnahmen
  • Weiterführung erfolgreicher und akzeptierter Politikinstrumente

Das Fundament der agrarpolitischen Auseinandersetzungen bildet in Österreich das Konzept der sogenannten „Ökosozialen Marktwirtschaft“. Sie steht steht für eine Balance von ökologischer, sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit. Ökosoziale Wirtschaftspolitik wird (nicht nur in Österreich) für zukunftsfähig erachtet, denn sie ist verantwortungsvoll gegenüber den kommenden Generationen. Sie wird getragen von der Überzeugung, dass weltweit alle Menschen und auch künftige Generationen das Recht auf ein gutes Leben in einer intakten Umwelt haben. In diesem Sinne steht sie auch voll im Einklang mit Artikel 3 (3) des Vertrages von Lissabon.

Denn Marktwirtschaft allein kann zwar viel, aber nicht alles. Sie kann und soll in erster Linie die Wertschöpfungsfähigkeit der Wirtschaft verbessern und innovatives Unternehmertum fördern. Der Markt braucht aber klare Regeln und Haftungsprinzipien – auch auf globaler Ebene –, das zeigen nicht nur die aktuellen, dramatischen Entwicklungen in der Finanz- und Wirtschaftswelt. Als wirtschaftspolitisches Modell baut die Ökosoziale Marktwirtschaft auf den Mechanismen Kostenwahrheit und Verursacherprinzip auf, denn Ökosoziale Marktwirtschaft bedeutet jedenfalls „Wirtschaften mit umfassender Verantwortung“.

Die „Wiener Grundsätze“

Die jüngsten sachpolitischen Vorbereitungsschritte waren die Österreichisch-bayerische Strategietagung (Passau, April 2009), das Agrarministertreffen mit Ressortchefs aus acht beteiligten EU-Ländern (Wien, Oktober 2009) und die Berggebiete-Konferenz der Alpenländer (Tirol, Dezember 2009), nicht zu vergessen die 57. Wintertagung (Wien, Februar 2010). Dabei erbrachte die Konferenz der Agrarminister2 die sogenannten „Wiener Grundsätze“, die ein Bekenntnis zur Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik nach 2013 darstellen. Ihr Ausgangspunkt ist die Tatsache, daß die europäischen Bäuerinnen und Bauern 500 Millionen Menschen mit hochwertigen Lebensmitteln versorgen und die Landschaft von 27 Nationen pflegen. Diese zentralen Funktionen dürfen nicht in Frage gestellt werden. Nachhaltigkeit und Umweltgerechtigkeit sind ihr Fundament.
Die „Wiener Grundsätze“ beinhalten im einzelnen:

  • Das Bekenntnis zu einer Weiterentwicklung der europäischen Landwirtschaft, basierend auf einer Gemeinsamen Agrarpolitik, die sich auch neuen Herausforderungen stellt.
  • Die Befürwortung eines gemeinschaftlichen Agrarhaushalts. Die Agrarpolitik darf nicht renationalisiert werden. Die Bäuerinnen und Bauern brauchen stabile Rahmen-bedingungen und Planungssicherheit.
  • Ein Bekenntnis zu den zwei Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik, und zwar:
    + einer ersten Säule mit Direktzahlungen als Basisabsicherung,
    + einer zweiten Säule mit Zahlungen für Mehrleistungen wie die Bewirtschaftung von
    Berggebieten oder für biologische Bewirtschaftung und für Innovationen und Investitionen, wie die Erzeugung erneuerbarer Energie, Urlaub am Bauernhof u.ä. Es bedarf aber auch einer Weiterentwicklung der GAP als Antwort auf die neuen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Klima- und Umweltschutz sowie Versorgungssicherheit.
  • Die Erkenntnis, daß auf die europäische Landwirtschaft neue Herausforderungen zukommen, die von wachsenden Ernteausfällen durch Naturkatastrophen bis zu steigender Billigkonkurrenz von nichteuropäischen Agrarproduzenten reichen. Diese zunehmenden Risiken erfordern auch in Zukunft geeignete Sicherheitsnetze und innovative Marktsteuerungsinstrumente.
  • Den Willen, die Wettbewerbsfähigkeit der Bauern auf den europäischen und globalen Märkten zu stärken. Für die moderne Landwirtschaft soll „so viel Markt wie möglich und so viel Unterstützung wie notwendig“ angestrebt werden. Es wird zugleich an die Bäuerinnen und Bauern in Europa appelliert, ihre diesbezüglichen Chancen zu nützen.

Eine starke Gemeinsame Agrarpolitik mit entsprechenden Förderprogrammen und den dafür notwendigen Mitteln ist unabdingbar, wenn in Österreich und der gesamten Europäischen Union auch nach dem Auslaufen der derzeitigen EU-Finanzperiode 2013 eine flächendeckende Landwirtschaft sichergestellt werden soll. Nur so kann der Landwirtschaft Planungssicherheit gegeben und wettbewerbsfähiges Wirtschaften ermöglicht, bzw. auf der anderen Seite den Konsumenten hochqualitative Lebensmittel und Lebensräume zur Verfügung gestellt werden.

Österreichs Antwort auf die Präsidentschaftsfragen

Im Hinblick auf das Dokument3 des EU-Vorsitzes „Future of the CAP: market management measures post 2013“ positioniert sich Österreich wie folgt zu den Präsidentschaftsfragen:

Zentrale Anliegen an die Gemeinschaftspolitik aus österreichischer Sicht

  • Keine Renationalisierung der GAP. Österreich erachtet die Erhaltung gemeinsamer Marktordnungsinstrumente und Wettbewerbsregeln als notwendig für den Schutz vor Spekulationen, Dumping-Importen und vor Folgen des Umwelt- und Sozialdumpings, um massive Ausschläge der Märkte mit Preisexplosionen bei den Konsumenten oder extremen Preisrückgängen bei den Landwirten zu verhindern. Eine Renationalisierung der GAP würde der Ungleichbehandlung Tür und Tor öffnen und die Bauern wieder voll und ganz von der nationalen Politik abhängig machen.
  • Keine Kürzung des Agrarbudgets. Eine Neuaufteilung der Mittel hätte u.U. in jedem EU-Mitgliedsland gleich hohe Betriebsprämien zur Folge. Bei den derzeit herrschenden unterschiedlichen Einkommens-, Kosten- und Preisniveaus der 27 EU-Staaten besteht die Gefahr großer sozialer Verwerfungen in vielen Mitgliedsländern. Denn in Wirklichkeit macht der Anteil der Ausgaben an öffentlichen Geldern für die Landwirtschaft EU-weit (EU, Bund, Länder) nicht mehr als 1 Prozent aus. Für 2010 sieht das EU-Budget erstmals mehr Geld für die Strukturfonds (53,6 Mrd. Euro) vor, als für die Landwirtschaft (52,3 Mrd. Euro). Bis 2013 wird sich dieses Verhältnis zu Gunsten der Strukturfonds mit 58,3 Mrd. Euro noch einmal deutlich verändern und der Anteil der Landwirtschaft auf ein Drittel zurückgehen. Es ist zu verhindern, daß die Begehrlichkeiten der nationalen Finanzminister die Höhe des EU-Agrarbudgets für die Finanzplanungsperiode 2014 bis 2020 bestimmt oder in ungebührlicher Weise weiter kürzt.
  • Weiterentwicklung der zweiten Säule. Europa ist gut beraten, am europäischen Modell einer multifunktionalen Landwirtschaft festzuhalten (auch wenn das Prinzip der Multifunktionalität nicht für jeden einzelnen Betrieb gelten kann). Dies setzt insbesondere eine effiziente Weiterentwicklung der zweiten Säule – die der ländlichen Entwicklung – voraus, deren bewährte Instrumente erhalten werden müssen.
    Bei der Bemessung der Direktzahlungen ist der Umfang der Cross-Compliance-Verpflichtungen zu berücksichtigen. Doch wird in diesem Zusammenhang eine tragfähige, für Konsumenten und Bevölkerung nachvollziehbare Legitimation der Direktzahlungen für besonders wichtig gehalten. Auf Vorstellungen der Gesellschaft besser hinzuhören kann ergeben, daß Leistungsabgeltungen entsprechend aufgestellt und besser begründet werden können. Direktzahlungen mit einem klaren Leistungsbezug werden künftighin unerlässlich sein, dafür aber können sie eindeutig an verschiedene Bereiche (wie etwa Wassermanagement, Landschaftspflege, Biodiversitätsschutz und weitere) geknüpft werden. Derart zielgerichtete Zahlungen stehen ja auch bei allen derzeit in Erwägung gezogenen Konzepten für die Neuausrichtung der GAP im Mittelpunkt. Die im Zuge der „Gesundheitsüberprüfung“ der GAP bereits vorgenommene Anpassung zeigt auch schon, wie mit den Herausforderungen in neuen sachpolitischen Bereichen (Klimaschutz, erneuerbare Energie, Artenvielfalt, effizientes Wassermanagement) umgegangen werden kann.
  • Strukturnachteile in Berggebieten weiterhin ausgleichen. Wegen der erschwerten natürlichen Produktionsbedingungen ist es vor allem Betrieben im Berggebiet nicht möglich, mit den sich weiter verschärfenden Wettbewerbsbedingungen mitzuhalten. Aus diesem Grund erachtet es die österreichische Agrarpolitik für notwendig, dass auch in Zukunft die Rahmenbedingungen für das Berggebiet und für die sonstigen benachteiligten Gebiete ein integraler Bestandteil der ländlichen Entwicklung bleiben. Weiters sind für die Lebensfähigkeit der ländlichen Räume weiterhin Maßnahmen zur Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft und zur Steigerung der Lebensqualität von entscheidender Bedeutung. Gerade in benachteiligten Regionen erbringen die bäuerlichen Betriebe neben der Erzeugung hochwertiger Lebensmittel noch vielfältige Leistungen für die Allgemeinheit, die Offenhaltung der Landschaft, die Sicherung der Artenvielfalt, den Schutz der natürlichen Ressourcen, die Aufrechterhaltung einer Mindestbesiedelung, die Sicherung der Infrastruktur sowie den Erhalt von Kultur und Brauchtum.
    Knapp drei Viertel der österreichischen landwirtschaftlichen Betriebe befinden sich im Berg- bzw. im benachteiligten Gebiet. Daher ist Österreich auch in Zukunft besonders an einer geeigneten finanziellen Unterstützung für die Berggebiete interessiert. Österreichs Bergbauernprogramm, Zahlungen für weitere Leistungen der Landwirte dieser Gebiete und auch das Agrar-Umweltprogramm und die Investitionsförderung sind aus österreichischer Sicht unabdingbar und werden es auch in Zukunft bleiben.
  • 1. Die Grundlage dieser Zusammenstellung bilden Vorträge und Statements bei österreichischen und internationalen agrarpolitischen Veranstaltungen bzw. deren Ergebnisse aus den Jahren 2008 bis 2010, darunter insbesondere Stellungnahmen von BM Nikolaus Berlakovich, LK-Präsident Gerhard Wlodkowski, LR Josef Plank, Kommissar a.D. Franz Fischler und o. Univ.-Prof. Alois Heißenhuber München-Weihenstephan.
  • 2. Auf Einladung des österreichischen Landwirtschaftsministers Nikolaus Berlakovich nahmen daran die Agrarminister von Finnland, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Ungarn sowie der Staatssekretär des deutschen Landwirtschaftsministeriums teil.
  • 3. Diesem Katalog gingen voraus: eine allgemeine Diskussion über die Zukunft der GAP unter französischem Vorsitz, eine Diskussion über die Zukunft der 1. Säule unter tschechischem Vorsitz sowie die Zukunft der 2. Säule unter schwedischem Vorsitz und schließlich über die Bereiche Marktverwaltung und Krisenmanagement unter der spanischen Präsidentschaft.
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